Erfolgreicher Abschluss des Interreg-KliKER-Projektes

Rheinberg. Am Montag, den 15.12.14 fand nach 3-jähriger Projektlaufzeit in der Stadthalle Kleve vor über 100 – auch prominenten – Gästen die Abschlussveranstaltung eines der umfangreichsten der laufenden kommunalen Klimaschutzprojekte mit internationaler Beteiligung statt. Gerade zurück aus Lima fanden auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, sowie NRW-Klimaminister Johannes Remmel und die Regionalministerin der Provinz Gelderland Annemieke Traag lobende Worte für das erfolgreiche Projekt.

Mit Förderung der EU, der Provinz Gelderland und des Landes NRW, bei einer 20%igen Eigenbeteiligung der 11 niederländischen und deutschen Teilnehmer-Städte Alpen, Duisburg, Gennep, Kleve, Lingewaard, Neukirchen-Vluyn, Overbetuwe, Renkum, Rheden, Rheinberg und Wijchen, wurden gemeindliche Klimaschutzprozesse initiiert bzw. optimiert und Klimaschutzkonzepte und Fahrpläne erarbeitet bzw. fort geschrieben. Aus den Erkenntnissen wurde eine euregionale Klimaschutz-Roadmap erarbeitet mit der Empfehlung für verschiedene für erforderlich gesehene und empfehlenswerte Zukunftsprojekte. In verschiedenen Arbeitsformaten wurde Erfahrungs- und Wissensaustausch organisiert – Workshops, Arbeitskonferenzen, openspace-Veranstaltungen und brainstormings, Exkursionen, außerdem in 3 Pilotprojekten gearbeitet. Die Themenpalette umfasste alle relevanten Handlungsfelder:

  • Sanierung und Neubau gemeindlicher Gebäude – Energiestandards, Finanzierungsmodelle
  • Sanierung im privaten Wohnungsbestand – aufsuchende Sensibilisierungs- und Erstberatung sowie Quartiersansätze zur gegenseitigen Stimulation
  • Erneuerbare Energie und Kraft-Wärme-Kopplung – Planungsgrundlagen, Finanzierung, Akzeptanz
  • Energieversorgung und Bürgerenergie, dezentrale Initiativen
  • Nachhaltige Lebensstile, Nutzer- und Konsumverhalten, Wertebetrachtung, Soziale Innovationen
  • Nachhaltige Bildung
  • Nachhaltige Mobilität
  • Nachhaltige Gewerbebetriebe und Gebiete
  • Anpassung an den Klimawandel

In über 20 Veranstaltungen mit über 400 Teilnehmern informierten und diskutierten Schüler und Lehrer, Studenten und Hochschulprofessoren, Unternehmer, Energieversorger, Berater, Bürgerinitiativen, Bürger, Politiker und Verwaltungsmitarbeiter vielschichtig.

2 der besonders zu erwähnenden Ergebnisse beziehen sich auf das Thema „Anpassung an den Klimawandel“. Hier beschäftigen wir Mitteleuropäer uns immer nur dann „Ereignisbezogen“ mit dem Thema, kaum eine Kommune arbeitet hier interdisziplinär, vorbeugend und gesamtstädtisch ausgerichtet. Das hat zum einen viel mit der geringen „Greifbarkeit“ und „Bewertbarkeit“ zu tun, zum anderen mit der fehlenden Erkenntnis, das bürgerschaftliche Potenzial zu erkennen und zu nutzen, und damit an der Kommunikation.

Im Rahmen des KliKER-Projektes wurde durch die Stadt Rheinberg als einziger deutscher Gemeinde an einem niederländischen Forschungsprojekt teilgenommen, um ein grafisch unterstützendes Instrument zu entwickeln, Kosten für Anpassungsmaßnahmen zu den unterschiedlichsten Handlungsfeldern aufzuzeigen, ebenso mögliche Kosten durch entstehende Schäden durch „nichts tun“.

Im KliKER-Projekt wurde zur Verbesserung der Kommunikation mit den Bürgern, aber auch bei der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltungen, das Instrument (Brettspiel) praat-pizza (Gedankenkarussel) erfunden. Hiermit können visuell unterstützt und spielerisch komplexe Zusammenhänge verdeutlicht und leichter kommuniziert werden.

Eine weitere sehr wichtige nochmals herausgearbeitete Erkenntnis und Botschaft bezieht sich auf Energiestandards beim Sanieren und Neubau von Gebäuden: Mit zunehmender höherwertigen energetischen Ausführung eines Gebäudes steigen zwar die Investitionskosten an, die Amortisationszeit der Maßnahme (variiert nach Gebäudetyp und Ausgangszustand) verringert sich jedoch deutlich (saniert/gebaut nach EnEV z.B. 15- 18 Jahre, nach kfw 70 z.B. 12 Jahre und nach kfw 55 z.B. 8 – 10 Jahre). Bedeutet, wer heute nicht weitreichend saniert verschwendet als Kommune Steuergeld.

Die wesentlichen Erkenntnisse und Fazite aus dem Projekt:

  • Probleme – egal ob in der Großstadt oder im Dorf – sind in den Niederlande und in Deutschland vergleichbar – auf Grund der unterschiedlichen gesetzlichen, fördertechnischen und organisatorischen Rahmenbedingungen werden allerdings oft deutlich unterschiedliche Lösungsansätze verfolgt
  • Finanzielle Förderung ist wichtig und hilfreich – allerdings verleitet dies dazu, Klimaschutzpolitik und -handeln primär danach auszurichten und oftmals sinnvollere Lösungen nicht zu verfolgen. Kreativität und Eigenverantwortung gehen verloren
  • Energie- und Klimaschutzpolitik ist stark technisch ausgerichtet – erneuerbare Energie, Energie/ Wärmenetze, Energieeffizienz. Dies zu optimieren ist absolut wichtig. Allein darauf zu setzen hilft nur begrenzt, da Effizienzeinsparungen durch propagiertes unbegrenztes Wachstumsdenken und Handeln wieder „aufgefressen“ werden. Eine Wertediskussion ist erforderlich und die Diskussion um nachhaltige Lebensstile ist zu führen. Nur mit weitreichender Kommunikation ist Akzeptanz beim Endverbraucher zu erzielen und die gesamten Potenziale durch technische Effizienz und erneuerbare Energie sind zu entfalten
  • Soziale Innovationen zu einer nachhaltigen Lebensgestaltung sind erforderlich und zu organisieren
  • Von der ausschließlich geldwerten Mehrwertbetrachtung und Argumentation für Klimaschutzmaßnahmen ist Abstand zu nehmen. Als Argumentation ist verstärkt auf sozialen Mehrwert abzuzielen.
  • Die derzeit im Vordergrund stehende Mehrwertbetrachtung für den Einzelnen ist zu ergänzen durch eine Mehrwertbetrachtung für die Quartiers-, Dorf- und Stadtteil-Ebene, in Verbindung mit sozialer Mehrwertbetrachtung (Identifikation, Aufenthalts- und Lebensqualität)
  • Eine Regional und Lokal-Orientierung ist erforderlich und auch wirtschaftlich zu empfehlen.
  • Für verschiedene Handlungsfelder (Energieproduktion und Energieversorgung, Mobilität, Versorgung und Ernährung) ist eine regionale (Potenzial)Analyse, Ausrichtung und Organisation erforderlich, sie können und müssen dann aber ganz Lokal konkretisiert, geplant, organisiert und umgesetzt werden
  • Eine regionale Komplementär-Währung ist hilfreich
  • Die „Zutaten“ für erfolgreichen Klimaschutz sind weitgehend vorhanden (Technik, Wissen, Förderung, Beratungsangebote), auch das theoretische Bewusstsein für die Notwendigkeit ist vorhanden. Allein die Ideen kommen nicht vom Kopf in die Hand. Hier muss deutlich stärker der Fokus auf Kommunikation und Wissenstransfer gelegt werden.
  • Das Wissen ist vorhanden. Vielerorts verdienen jedoch noch die Mehrheit der Fachleute mit veraltetem Wissen und veralteter Technik ihr Geld – Qualifizierung der Fachleute ist erforderlich.
  • Verwaltungsstrukturen auf allen Ebenen sind für die Bewältigung der komplexen Herausforderungen wie Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung und Anpassung an Klimawandel nicht geeignet, ebenso vielfach nicht die erforderlichen Qualifikationen. Insbesondere gilt dies in Bezug auf interdisziplinäres Arbeiten und Lösungen finden, sowie Prozessgestaltung und Kommunikation.
  • Lösungen werden nur im Quartier und in Nachbarschaften umgesetzt werden können, also kommt der Prozessunterstützung und dem Erreichen in den Quartieren eine wesentliche Bedeutung zu.
  • Städte und Gemeinden sind zukünftig immer weniger in der Lage, aufgrund abnehmender verfügbarer Ressourcen (Geld, Personal, Zeit, Wissen) allein Klimaschutzarbeit erfolgreich zu organisieren. Es bedarf einer (eu)regionalen „Klimaschutzagentur“ mit Angeboten für alle Zielgruppen (Betriebe, Handel und Handwerk, Berater, Bürger, Schulen, Kindergärten) und in jeder Hinsicht (Kampagnenentwicklung, Förderung und Finanzierung, Beratung, Wissensvermittlung, Prozessunterstützung usw.), damit die derzeit freiwillige Klimaschutzarbeit nicht zukünftig auf der Strecke bleibt.
  • Klimaschutz darf nicht losgelöst als eigene Disziplin gesehen werden, sie muss in das alltägliche Handeln in alle Aktivitäten einer (Stadt)Gesellschaft integriert werden. In deutlich stärkerem Maße gilt dies für Anpassungsmaßnahmen gegen den Klimawandel.

Quelle: Pressemitteilung der Stadt Rheinberg